Sonntag, 24. März 2013

Es ist Sonntag um 5:30 Uhr, der Wecker klingelt. Ich frühstücke und ziehe meine Radfahrsachen an - alles was ich finden kann. Wenig später sitze ich auf meinem Rennrad, die ersten Sonnenstrahlen blinken über den Häuserdächern bei strahlend blauem Himmel. Es sind -12°C - der kälteste Morgen an diesem Tag des Monats seit Aufzeichnungen der Wetterdaten. Es fährt sich relativ schwer. Sind es die unzähligen Schichten meiner Kleidung, der eisige Wind, oder ist das Fett in den Lagern bei der Kälte so zäh geworden, dass es sich schwer tritt?
Bei der Ortsausfahrt Cottbus muss ich freihändig fahren, um meine Handschuhe auszuziehen und mein Halstuch über das Gesicht binden. Der eisige Wind scheidet im Gesicht. Durch das Atmen im Tuch beschlägt meine Brille und die Feuchtigkeit auf der Brille gefriert sofort zu Eiskristallen. Schnell muss ich meine Handschuhe wieder anziehen, da bereits nach wenigen Sekunden die eisige Kälte in die Finger kriecht.
Die Ortschaften, die ich durchfahre, sind wie ausgestorben. Kein Mensch weit und breit, der sich in dieser Morgenstunde der Witterung stellt. Es fährt sich auch schwierig auf der Straße, da hier und da Schneeverwehungen in der Nacht die Straße bedeckt haben. Anderenorts hat Wasser einen dicken gefährlichen Eisfilm über den Asphalt gelegt. Ganze 20 Kilometer fahre ich mit dem Rennrad bis Drachhausen, wo ich umkehre. Das Lachen der Sonne am gleißend blauen Himmel wirkt so ironisch bei diesen lebensfeindlichen Temperaturen.



Um 9 Uhr geht es mit dem Zug zur Velo Berlin. Dort werden Träume war - oder zumindest gibt es Anregungen genug, um zu träumen. Bei einem Stand gibt es spezielle ergonomische Sättel - auch für den Triathlon. In letzter Zeit habe ich häufiger Sitzbeschwerden durch Druckstellen. Ein Blick auf die Preise sagt mir: ist derzeit nicht drin! Wer schnell sein will muss leiden - oder wie war der Spruch?

Mein Herz schlägt höher, als ich das ORCA Velomobil von Flevobike sehe. So oder so ähnlich sehen Träume aus. Es wird viel gefachsimpelt und ausgetauscht. Das Highlight der Tages ist für mich definitiv der Trike Testparkour. Ein Bändchen gibt es um das Handgelenk und schon kann man sich auf so ein Gerät draufsetzen und losdüsen. Das Gefühl ist Wahnsinn. Beschleunigung pur. Nach kurzer Eingewöhnung werden regelrechte Rennen gefahren. Wenige Zentimeter trennen in den Kurven meine Füße vom Hinterrad des Vordermanns. Die Reifen quietschen in den Kurven und hier und da stellt sich das Gefährt in der Kurvenfahrt auf zwei Räder. Da ist auch die ein oder andere Notfallbremsung von Nöten. Bissig greifen die Scheibenbremsen links und rechts, das Hinterrad bäumt sich auf und schon steht das Gerät wieder - ohne Auffahrunfall.
Auch sonst gab es viel Interessantes zu sehen. Man kann schon sagen - für viele ist das Rad nicht nur ein Gebrauchsgegenstand, sondern ein Lebensgefühl und ersetzt auch immer mehr das Auto. Gelernt habe ich allerdings, dass die Ideologie doch sehr verschieden ist, bei den Fahrradfahrern, Cyclopeden, Randonneure, oder wie auch immer sie sich nennen mögen.
Da gibt es den klassischen Alltagsfahrer. Wind und Wetter halten ihn nicht von seinem Weg zur Arbeit mit dem Zweirad ab. Der Kollege ist gut zu erkennen durch das meist verkehrstaugliche Fahrrad. Der Gepäckträger gehört ebenso zur Standartausrüstung, wie der Fahrradständer - das Gewicht ist hier absolute Nebensache.
Eine andere Kategorie ist der Bike-Fetischist. Aggressives Design und High End Technik sind die Ausstattungsmerkmale. Wie viel Gramm kann man sparen, wenn man den Trinkflaschenhalter aus Carbon für 60 Euro das Stück gegen das Alu-Gemurkse eintauscht? Und wie viele Sekunden Zeitersparniss bringt das dann im nächsten Jedermann-Rennen?
Nach wie vor ganz groß im Trend: die Single Speed Szene. Ja genau, das sind die Neonfarbenen Ärgernisse der Städtischen Autofahrer. Helm? Wie uncool! Bremsen? Passt überhaupt nicht zu der sonst so cleanen Optik. Ohne Kopf und Verstand schlängeln sie sich durch die Autoabgase der Städte. Kleiner Hinweis: eine Ampel ist keine lustig blinkenden Deko der Verkehrsgesellschaft :)
Dann ist da noch der Randonneur. Das Fahrrad ist bei ihm eher ein prestige Objekt. Du weißt nicht wohin mit deinem Geld, hast aber eigentlich keine Ahnung von Fahrradtechnik? Dann bist du in dieser Kategorie genau richtig! Den Titandratesel gibt es in der Standartausführung ab 9000 Euro - was kostet die Welt!

Das sollen erst mal die wichtigsten Radfahrer Kategorien sein - alle hier aufzuzählen würde wohl den Rahmen sprengen.


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